4. Fastensonntag A 2002
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4. Fastensonntag 2002 A

Messtexte | Word-Dokument

Neben den »normalen« und uns allzu gut bekannten Weltmeisterschaften finden in regelmäßigen Abständen auch Weltmeisterschaften für behinderte Sportler statt. Es gibt sogar blinde Skifahrer – für uns unvorstellbar! Diese Sportler werden von ihrem Trainer in der Form betreut, dass dieser ihnen vorausfährt und kurze Anweisungen erteilt, wo es lang geht. Das Vertrauen spielt in diesem Fall eine große Rolle.

Sehende Menschen wie wir können sich das gar nicht vorstellen, was es bedeutet, blind zu sein. Ältere Menschen, die aufgrund der Anzahl ihrer Lebensjahre ein Brille brauchen, sagen manchmal: »Ihr wisst gar nicht, wie das ist, wenn man schlechte Augen hat.«

Auch wenn es vielleicht bei einem Blindgeborenen leichter ist, weil der die Erfahrung des Sehens nie gemacht hat, da er von Geburt an blind ist, bleibt doch die starke Behinderung, da ein wichtiges Organ unseres Körpers defekt ist. Umso mehr dürfen wir Gott für unsere gesunden Augen danken, denn diese sind ein doppeltes Geschenk, das nicht selbstverständlich ist. Uns ist es möglich, die wunderbare Schöpfung Gottes zu betrachten.

Ein unscheinbarer Satz im heutigen Evangelium lautet: »Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht für die Welt.« Jesus sagt an einer anderen Stelle auch: Ich bin das Licht der Welt.

Dem Blindgeborenen schenkt er nicht nur das Licht der Welt wieder, sondern auch das Licht des Glaubens.

Ich möchte besonders hinweisen auf die Szene am Schluss des heutigen Evangeliums: Jesus führt den eben sehend gewordenen Ex- Blinden zum Glauben an den Menschensohn. Das Anliegen Jesu besteht darin, dass der Geheilte auch sehend wird im Glauben, dass er an den Sohn Gottes glaubt. Als Jesus sagt »Du siehst ihn vor dir!« wirft sich der Sehendgewordene vor ihm nieder und bekennt: Ich glaube, Herr! Er sieht jetzt nicht nur die Gestalt Jesu, sondern er blickt vor allem auf den Messias, auf seinen Herrn.

Dieser Gedanke – mit den Augen des Glaubens sehend werden – wird auf ähnliche Weise im bekannten Buch von Saint Exupery ausgedrückt: Der kleine Prinz. Dort verrät der Fuchs dem kleinen Prinzen das Geheimnis: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Es geht hier um ein anderes Sehen; um das Sehen mit dem Herzen.

Der heutige Sonntag heißt Laetare – Freuet euch! Wir feiern also den Freudensonntag. Wir freuen uns auf das immer näher rückende Osterfest. Der Blinde zeigt ebenfalls Freude über seine Heilung. Er dankt Gott, betet an und glaubt, dass Jesus der Menschensohn ist, der Messias.

Wenn wir uns auch nicht so freuen können über das Augenlicht wie ein geheilter Blindgeborener, so wollen wir zumindest dankbar sein für gesunde Augen, dafür, dass wir sehen dürfen.

Wir befinden uns noch immer in der Fastenzeit. Vielleicht wäre es nach dem heutigen Sonntagsevangelium gut, einmal zu überlegen, ob es nicht auch eine Möglichkeit wäre, mit den Augen zu fasten. Auch mit unseren Augen können wir einen freiwilligen Verzicht üben. Durch die Flut von Bildern und Ereignissen, die uns täglich über das Fernsehen, Internet und andere Medien überschwemmen, kommen wir in Gefahr, für den Glauben der Kirche blind zu werden.

Fasten mit den Augen würde uns sicherlich hin und wieder gut tun. Wie kann ich mit den Augen fasten? Nicht jeden Nachmittag und Abend in der Woche fernzusehen wäre ein Anfang. Legen wir die Illustrierte zur Seite, schalten wir den Computer ab, drücken wir den Off- Knopf des Radios! Dann bleibt uns mehr Zeit füreinander und vor allem für GOTT! Die gewonnene Zeit können wir dem gemeinsamen Gespräch unter Mitmenschen oder in Familie verwenden oder für das Gespräch mit Gott, das Gebet. Wenn wir mit den Augen auf etwas verzichten, gewinnen wir jede Menge Zeit für wesentliche Dinge.

Diese Zeit können wir vor Ostern auch ganz gut gebrauchen: Neben dem Frühjahrsputz, der für manche Hausfrauen das wichtigste Element der Fastenzeit ist, dürfen wir vor allem einen anderen Frühjahrsputz durchführen: den in unserer Seele. Ich möchte Ihnen allen die Osterbeichte besonders ans Herz legen. Für eine befreiende Beichte sollen wir auch genug Zeit investieren: in die Gewissenserforschung, in die Reue, in die Überlegungen für Besserung. Wenn wir mit den Augen fasten, finden wir auf jeden Fall genug Zeit für die Stille, die Grundlage jeder guten Beichte ist.

Als Priester wünsche ich Ihnen von Herzen, dass Sie sich mit einer guten Osterbeichte Raum schaffen in ihrem Herzen, damit Christus am Hochfest seiner Auferstehung auch in Ihr Herz einkehren und dort Wohnung nehmen kann. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024