30. Sonntag im Jahreskreis A 2014
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30. Sonntag im Jahreskreis 2014 A

Messtexte | Word-Dokument

Der hl. Hieronymus erzählt vom Lieblingsjünger Johannes, er habe in seinem hohen Alter, als er auf den Armen seiner Jünger zur Kirche getragen wurde, da er vor Schwäche nicht mehr selber gehen konnte, nur das eine Wort gepredigt: „Kinder, liebt einer.“ Diese drei Wörter hat er immer wiederholt!!! Die anderen waren schon ganz gereizt, weil er nichts anderes zu sagen wusste. Schon ganz überdrüssig wegen dieser ständigen Wiederholung fragten sie ihn: „Warum sagst du immer dasselbe?“ Und er antwortete darauf: „Weil es das Gebot des Herrn ist. Wenn ihr das erfüllt, genügt es!“

Es ist wirklich das wichtigste Gebot: die Gottes- und Nächstenliebe. Und wer den Nächsten liebt, der liebt Gott.

Wir können bei diesem Gebot nie sagen: Jetzt ist es genug. Jetzt habe ich es vollkommen erfüllt. Jetzt liebe ich Gott hundertprozentig und ich brauche mich nicht mehr anstrengen. Immer müssen wir uns bemühen. Wahre Liebe kennt keine Grenzen. So ist immer wahr, wenn ich beichte: Ich hätte Gott besser und noch mehr lieben können. Wir bleiben immer hinter dieser Forderung zurück. Erst in der Ewigkeit dürfen und können wir Gott vollkommen lieben, denn dort werden wir ihn schauen, wie er ist und er ist die Liebe. Und er wird uns aufnehmen in diese Liebesgemeinschaft des dreifaltigen Gottes. Dort wird er uns mit dieser unendlichen Liebe überschütten.

Der hl. Paulus schreibt in seinem berühmten Hohenlied der Liebe im Korintherbrief genau davon. Ohne Liebe hat einfach nichts einen Wert. Wenn ich glänzend reden könnte, wenn ich der Intelligenteste wäre, wenn ich einen Glauben hätte, der Berge versetzte, wenn ich all meinen Besitz herschenken würde, wenn ich mich selbst hingeben würde, mein Leben ohne Liebe, es wäre alles nichts wert. Es nützte mir nichts, denn die Liebe ist das Größte. Die Liebe muss bei unseren Taten dabei sein und daher kann die hl. Theresia sagen: Wenn ich eine Nadel aus Liebe aufhebe, kann das einen Menschen bekehren. Das kann mich ganz viel Überwindung kosten. Es kann ein ganz großes Opfer sein, weil ich momentan überhaupt nicht in der Stimmung bin. Wenn ich es trotzdem aus wahrer großer Liebe zu Jesus tue, dann ist diese Tat eine ganz große Liebestat, die Auswirkung hat. Es hat für die ganze Kirche große Auswirkungen hat, so wie die Heiligen an sich für die Kirche unvorstellbar große Auswirkungen haben. Oft kann Gott durch die Heiligen Wunder wirken. Es sind seine Werkzeuge, die er verwendet, um Großes auf der Welt zu tun. Durch ihr Beispiel und Vorbild in der Liebe werden auch wir angespornt zu lieben.

Darum hat Jesus auch die richtige Antwort gegeben: Das größte Gebot ist das Liebesgebot. Du sollst Gott mit ganzem Herzen lieben und du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz. Wer nur eines hält, ist das, wie wenn du nur auf einem Bein stehst. Wir müssen auf beiden Beinen stehen, mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, um nicht zu schwanken oder umzufallen.

Es haben aber auch schon vor Jesus die Menschen das geahnt und versucht danach zu leben. Schon vom heidnischen Philosoph Sokrates ist uns folgendes überliefert: Es wird berichtet, dass er auf dem Marktplatz in Athen einen Bekannten trifft, der auf ihn zustürzt und sagt: „Sokrates, ich muss dir etwas Wichtiges von deinem Freund erzählen. Hast du schon davon gehört, dass…“ Sokrates: „Nein, warte! Hast du das, was du mir berichten möchtest, schon durch die drei Siebe gefiltert?“ Der Bekannte: „Nein, warum? Welche Siebe?“ Sokrates: „Ist es wahr, was du mir berichten möchtest? Hast du es schon durch das Sieb der Wahrheit gefiltert?“ Der Bekannte: „Nein, das habe ich nicht getan, ich weiß nicht, ob es wahr ist, ich habe es nur gehört.“ Sokrates: „Hast du es durch das zweite Sieb, das Sieb der Güte hindurchgelassen? Hast du dir überlegt, ob es gut ist, was du mir sagen möchtest über meinen Freund?“ Bekannter: „Nein, das habe ich nicht getan.“ Sokrates: „Hast du es durch das dritte Sieb gefiltert, das Sieb der Nützlichkeit? Hast du überlegt, ob es nützlich ist, über das Gehörte zu berichten?“ Bekannter: „Nein, das habe ich nicht getan.“ Sokrates: „Dann behalte das, was du mir sagen wolltest, lieber für dich.“

Kann uns diese Geschichte nicht lehren, dass wir im Umgang mit unserem Nächsten zuerst einmal alles durch das Sieb der Liebe filtern? Wenn wir da nachdenken, werden wir feststellen, dass vieles durch dieses Sieb fallen würde und dass das Wesentliche und Wichtige übrig bleibt. Wir werden merken, dass wir den Nächsten mit einem anderen Blickwinkel sehen, dass wir ein Geschöpf Gottes in ihm sehen, dass wir Jesus selbst im Nächsten sehen und dass wir dadurch ein anderes Verhältnis zum Nächsten bekommen, ein Verhältnis der Liebe. Wir werden uns dann bemühen immer das Gute im Nächsten zu sehen und ihm das Gute zu sagen, das ihm nützt und nicht schadet. Und das will Gott von uns, wenn er uns aufträgt, Gott und den Nächsten zu lieben. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024