31. Sonntag im Jahreskreis A 2014
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Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
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31. Sonntag im Jahreskreis 2014 A

Messtexte | Word-Dokument

Es ist November. Die Natur liegt im Sterben. Wenn wir uns vorstellen, dass wir dies zum ersten Mal erleben und nichts von einem Frühling wissen, dann wäre dies sicher eine ganz schreckliche Erfahrung. Alles geht zugrunde. Die Blumen verwelken. Die Bäume sind ganz kahl. Wenn wir nicht wüssten, dass neue Blumen erblühen und grüne Blätter wieder sprießen würden, dann wäre der Herbst fürchterlich.

Ist es nicht auch mit unseren Toten so. Wir gehen in diesen Tagen bewusst auf den Friedhof. Hier liegen viele Tote. Wir haben unsere lieben Verstorbenen hier begraben. Es sind Menschen, die gelacht haben wie ich, Menschen, die geliebt wurden wie ich. Jedes Grab birgt ein Geheimnis mit sich: das Geheimnis eines Menschenlebens. Kein Menschenleben gleicht einem anderen. Wenn wir nicht glauben, dass es Auferstehung gibt, dass es ein neuer Frühling kommt, ein neues Erwachen, dann ist der Friedhof nur noch fürchterlich, nur noch schrecklich, nur noch meidenswert.

Allein unser Glaube an ein Leben nach dem Tod lässt uns die Gräber schmücken, lässt uns dort Kerzen anzünden. Ich finde diese kommenden Tage immer als etwas ganz besonderes, wenn ich, um den Ablass für die Verstorbenen zu gewinnen, jeden Tag auf den Friedhof gehe, um zu beten. (Eine Woche lang ist das möglich). Oft ist dies am Abend, wenn ich während des Tages nicht dazukam, dann sieht man die vielen Kerzen brennen und dann spürt man, hier ist nicht Tod, sondern hier ist Leben: die flackernde Flamme, die Bewegung. Diese Lichter deuten darauf hin, dass unsere Toten nicht für immer tot sind. Das Licht bedeutet: Es gibt einen Frühling. Es gibt einen Frühling nicht nur in der Natur, sondern auch für die Menschen, deren Leiber auf dem Friedhof begraben sind.

Jesus war auch in einem Grab, aber er ist auferstanden am dritten Tag. Als er seinen Jüngern erschien, war sein Leib verklärt, leuchtend hell. Jesus ist das ewige Licht. Das Grablicht will dies sagen. Hier liegt ein Mensch begraben, der das ewige Licht schauen will. „Das ewige Licht leuchte ihm.“ Auch unsere Toten werden auferstehen. Wir hoffen, dass sie nicht zum Gericht, sondern zum ewigen Leben bei Gott auferstehen werden. Wir beten für sie, dass sie bald bei Gott sein werden, dass das Fegefeuer verkürzt und gemildert wird.

Der Friedhof ist also nicht schrecklich für den, der an die Auferstehung glaubt. Wir gehen heute über den Friedhof, weil wir an dieses Leben nach dem Tod glauben. „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe!“, beten wir. Das ist nicht die Friedhofsruhe. Das ist nicht stillsitzen und sich langweilen. Die ewige Ruhe ist die Fülle des Lebens. Sie ist höchste Freude und tiefster Friede in Gott.

Die Verstorbenen, sie mögen ruhen in Frieden bei Gott. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024