12. Sonntag im Jahreskreis A 2017
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12. Sonntag im Jahreskreis 2017 A

Messtexte | Word-Dokument

„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann.“ Dies ist ein ganz wichtiger Satz im Evangelium. Was lehrt uns Christus mit diesem Satz? Nicht nur, dass der Mensch aus Leib und Seele besteht, nicht nur, dass es eine Hölle gibt, sondern auch, dass der Mensch die Seele nicht töten kann, denn Gott hat sie unsterblich erschaffen. Den Leib kann er töten, die Seele nicht. Die Märtyrer gingen alle mit dieser festen Überzeugung in den Tod. Kein Mensch kann die Seele töten und vernichten. Der Mensch kann sie auch selber nicht vernichten, selbst wenn er es möchte und aus eigenen Stücken aus dem Leben geht. Auch der Mächtigste der Welt hat keine Macht darüber. Dieser Satz ist nicht nur in den ersten drei Jahrhunderten Christenverfolgung ein großer Trost für die Christen gewesen, sondern bis herauf in die jüngste Zeit trostvoll, in denen Christen immer wieder ihr Leben für den Glauben hingeben müssen und getötet werden. Die Menschen können das Herz aus dem Leib reißen, aber an die Seele können sie nicht ran. Das könnte nur einer: Gott. Gott aber vernichtet die Seele nicht. Er könnte es, er allein, denn er hat die Seele wie den Leib erschaffen. In seiner Allmacht wäre er frei. Aber er tut es nicht. Er vernichtet nicht die Seele, die er selbst zur Unsterblichkeit aus Liebe erschaffen hat, weil er keinen Grund dazu hat. Er hat alles erschaffen, und es war gut. Er schenkte dem Menschen sogar das hohe Gut der Freiheit, das er respektiert. Wir sind keine Marionetten in der Hand Gottes. Wir dürfen ihn in Freiheit lieben. Dies spüren wir im Herzen: diese Freiheit. Diese benützen wir auch. Manchmal sogar ein wenig provozierend und trotzig. Ich lass mich doch nicht zwingen. Ich will nicht in die Kirche gehen. Ich bin frei. Ja, der Mensch ist frei. Sie sind alle in Freiheit in die Kirche gekommen, und das ist das Schöne. Ich kann nur in Freiheit lieben. Gezwungen, das ist keine Liebe. Das will Gott nicht. Er respektiert das. Umso größer ist die Freude über jeden Einzelnen, der in Freiheit zu Gott findet und ihn anbetet, ihm dankt für seine Gnaden und sich freut über seine Güte, die er uns Menschen zuteilwerden lässt.

Das alles dürfen wir glauben. Gott hat in jede Seele diese Sehnsucht hineingelegt: die Sehnsucht nach ewiger Liebe in der Ewigkeit. Es gibt keinen vollständigen zwingenden Beweis. Es gibt Hinweise; es gibt diese Sehnsucht, dieses Erahnen der Seele nach einem ewigen Leben.

Es ist wie im folgenden Bild: Du stehst am Anfang einer großen Brücke, die sich in einem gewaltigen Bogen über einen riesigen Fluss spannt. Es ist Nacht und dazu noch Nebel, der uns leider nur ein kleines Stück weit sehen lässt. So siehst du nur den Brückenanfang, nicht aber wohin die Brücke führt, geschweige denn das Ende. Und doch. Du zweifelst keinen Augenblick, dass sie über den Fluss führt. Die Brücke wird nicht in der Mitte aufhören. Sicher nicht! Du bist überzeugt, drüben ist ein Ufer. Die Konstruktion deutet darauf hin. Es gibt das Ende der Brücke auf der anderen Seite, auch wenn ich dieses andere Ufer vor Nacht und Nebel nicht sehe. Ganz ähnlich ist es mit der Seele des Menschen. Wer die Seele beobachtet und untersucht, ihre Anlage, ihre tiefste Neigung, der findet, dass es in ihrem ganzen Sein auf ein jenseitiges Ufer hinzielt, auch wenn wir dieses Jenseits im Nebel dieser Erde nicht genau erkennen. Der Schöpfer der Seele hat die Seele so geschaffen, dass sie auf die Ewigkeit in der anderen Welt hingeneigt ist und sie erahnt. Wenn wir hundertprozentig überzeugt wären, wäre der Glaube daran kein Verdienst mehr, und die Freiheit des Menschen würde nicht nur darunter leiden, sondern sie wäre nicht mehr gegeben.

Gott hat also in seiner unendlichen Weisheit die unsterbliche Seele geschaffen, damit sie einmal über diese Brücke findet. Warum sollte Gott diese Sehnsucht in unser Herz gesenkt haben und sie dann nicht erfüllen? Nein, so ist Gott nicht! Es kommt die Erfüllung im Leben nach dem Tod. Christus selbst hat durch seine Auferstehung uns den Beweis dafür gegeben, und wir dürfen daran glauben. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024