2. Sonntag im Jahreskreis A 2017
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2. Sonntag im Jahreskreis 2017 A

Messtexte | Word-Dokument

Ich erzähle am Anfang immer gern eine Geschichte. So habe ich auch heute eine rabbinische Geschichte gefunden, die zum Evangelium passt: Der liebe Gott freute sich, als er alles sah, was er erschaffen hatte. Die Tiere zogen in langer Prozession an Gott vorüber. Die einen waren mit Stoßzähnen ausgestattet. Andere Tiere hatten Krallen oder Panzer. Alle hatten ihre Waffen. Aber abseits stand ganz traurig noch ein anderes Tier. Ängstlich starrte es auf die Büffel und Nashörner, die Schlangen und Tiger, die Löwen und Krokodile: Es war ein Lamm. Es kam sich ganz verloren vor, denn es hatte nichts, womit es sich hätte wehren können. „Warum gibst du ihnen so viele Waffen?“, fragte das Lamm den Schöpfer und fügte vorwurfsvoll hinzu: „Du weißt doch, was sie Schlimmes damit anrichten können.“ Da sagte Gott zum Lamm: „Auch dir habe ich Waffen gegeben. Es sind die ‚Waffen des Friedens’: Geduld, Demut und Hingabe.“

Das Lamm Gottes heute mit den Waffen des Friedens steht auf verlorenem Posten in unserer Ellenbogengesellschaft. Meint man! Es kann keine Zähne zeigen. Das Lamm hat keine Krallen, die packen und zerreißen, keine Pranken, die zuschlagen und zerschmettern. Alles das hat es nicht, aber dafür besitzt es eine Fähigkeit, die allen menschlichen Rüstungen weit überlegen ist: Es nimmt hinweg die Sünde der Welt. Gut, dass es das Lamm Gottes gibt!

Wenn Jesus mit einem Lamm verglichen wird, dann deswegen, weil das Lamm uns zeigt, dass es eine ganz andere Möglichkeit gibt, unsere Konflikte zu lösen, als zugespitzte Worte, Waffen und kugelsichere Panzer. In seiner Wehrlosigkeit liegt seine Stärke.

So ist Jesus wehrlos am Kreuz gestorben. Aber durch diesen Tod hat er uns gerettet. Das geschlachtete Lamm, das uns an das wehrlose Paschalamm erinnert, ist stärker als alles andere.

Damals durfte nur ein fehlerloses Lamm geschlachtet werden. Auch das passt zu Jesus, der ohne Sünde ist. Dieses sündenlose Lamm nimmt die Sünden auf sich. Die Sehnsucht der Menschen nach Vergebung der Sünden war schon immer groß. Bei den Juden hat man einen Ziegenbock symbolisch mit den Sünden beladen und in die Wüste geschickt. Noch heute verwenden wir das Wort Sündenbock für jemanden, dem wir die Schuld zuschieben.

Jesus ist unser Sündenbock, der unsere Sünden auf sich genommen hat, aber nichts dafür kann. Er hat es aus Liebe gemacht. Er hat sich nicht gewehrt, als er unschuldig verurteilt wurde. Nur so konnte die Schuld des ersten Menschenpaares wieder gut gemacht werden.

So ist es natürlich sehr passend, dass Jesus mit einem unschuldigen Lamm verglichen wird. Diesem Lamm dürfen wir vertrauen. Auch wir sollen uns nicht beeindrucken lassen, wenn die Welt sich aufbläht und stark erscheint. Wenn wir immer wieder anscheinend besiegt werden, so wie Jesus am Kreuz anscheinend besiegt wurde. So eine Niederlage ist bei Christus eine Scheinniederlage und den wahren Sieg wird immer der demütige und liebende Mensch davontragen. Seht Christus ist der wahre Sieger, das Lamm Gottes, das unsere Sünden hinwegnahm und zu ihm wollen wir gehören. Er ist das Lamm und zugleich unser Hirt, wenn wir in die Fußstapfen dieses Lammes steigen. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2023