22. Sonntag im Jahreskreis A 2017
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22. Sonntag im Jahreskreis 2017 A

Messtexte | Word-Dokument

Im 1. Weltkrieg wurde ein Pfarrer in ein Lazarett an das Bett eines tödlich verwundeten Unteroffiziers gerufen. Dieser sagte: „Herr Pfarrer, als ich in den Krieg zog, hatte ich nur den einen Wunsch, das Eiserne Kreuz zu erhalten. (Eine besondere Auszeichnung für außerordentliche Verdienste) Als ich verwundet war, sah ich mich nach dem Roten Kreuz um, mit der Hoffnung, dass ich mit deren Hilfe wieder gesund werde. Jetzt aber, da ich weiß, dass mir die Ärzte und Schwestern nicht mehr helfen können. Nun schau ich nur noch auf das dritte Kreuz, das da an der Wand hängt.“

Das, was Jesus uns heute im Evangelium sagt, hat dieser Unteroffizier eigentlich in seinem Leben nicht kapiert. Er suchte nicht das Kreuz Jesu, sondern Erleichterungen und Ehrungen. Jesus aber betont: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich (d.h. seine Beschwerden, seine Leiden, seine Krankheiten usw.) und folge mir nach.“ Erst am Ende seines Lebens wurde dem Soldaten bewusst, dass vom Kreuz Christi Trost und Kraft kommt.

Der heilige Paulus drückt diesen Gedanken folgendermaßen aus, wenn er in seinen Briefen von der Torheit des Kreuzes spricht. Und er hat eigentlich Recht!

Das Kreuz ist für die Heiden eine Torheit, für die Juden ein empörendes Ärgernis, für uns aber Gottes Kraft und Gottes Weisheit.

Einerseits ist der Blick auf das Kreuz natürlich ein Blick auf eine Niederlage. Christus wurde dadurch total erniedrigt. Nur Verbrecher sterben den Tod am Kreuz. Für uns hat das folgenden Sinn: Wer sich dem anschließt, der erniedrigt sich ebenfalls. „Das Kreuz annehmen“ erniedrigt den Stolz des Menschen, macht klein und demütigt. Wer Christus liebt, geht mit ihm diesen Weg der Erniedrigung. Darin liegt das große Ärgernis, der Skandal der Botschaft des christlichen Glaubens.

Aber wenn wir hier stehen bleiben würden, dann wäre die christliche Botschaft auf eine Art „Leidensreligion“ reduziert. Es gibt den zweiten Teil. Es gibt auch die erhebende und erlösende Kraft des Kreuzes durch die Auferstehung. Wer mit Christus den Weg der Erniedrigung geht, wird mit ihm auch erhöht.

Jeder echte Christ, der die Botschaft Jesu verstanden hat, sieht hinter dem Kreuz ein Licht: das Licht der Auferstehung; das Licht des Sieges. Denn das war der Weg des Sohnes Gottes. Durch dieses Leiden, durch diesen Tod am Kreuz, durch diese Verdemütigung konnte er die Menschheit retten.

Wer kann auf so eine Idee kommen? Wer ist so selbstlos? Kein Mensch! Das kann nur von Gott selbst kommen! Diese unattraktive Idee ist göttlich und entspringt der vollkommenen Liebe.

Durch den Kreuzestod zur Auferstehung! Das aber hat Petrus überhört. Er hört nur Leiden. Das schmeckt nicht. Petrus will das nicht. Er verstand es nicht. Jesus nennt ihn deswegen Satan. Jesus aber weiß, dass es der Weg der Erlösung ist. So wie das Kreuz für Christus nicht das Letzte war, sondern nur ein Tor, ein Durchgang zum Endsieg der Auferstehung, so wird es auch bei uns sein, bei allen, die Christus nachfolgen im Kreuztragen und im Vertrauen auf ihn. Es geht Jesus um das ewige Leben. Und das werden wir gewinnen, wenn wir das irdische Leben als Durchgang sehen. Mit diesem ewigen Leben wird uns Jesus beglücken, wenn wir ihm nachfolgen und diese Nachfolge bedeutet: täglich sein Kreuz tragen. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024