7. Sonntag im Jahreskreis A 2020
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7. Sonntag im Jahreskreis 2020 A

Messtexte | Word-Dokument

Es gibt Texte in der Heiligen Schrift, die erschrecken uns, weil sie so extrem formuliert sind, weil sie so schwierig erscheinen, und sie sind es in Wirklichkeit gar nicht so. Und dann gibt es Texte, die uns erfreuen, weil sie so erleichternd scheinen und angenehm klingen, und sie sind in Wirklichkeit doch etwas schwieriger.

Im heutigen Evangelium gibt es beides: „Liebt eure Feinde“ erscheint schwierig. Wenn wir aber sagen, es muss keine gefühlte Liebe sein, dann wird es leichter. Und dann gibt es einen Satz, der uns alle beim ersten Hinschauen Erleichterung gibt und bei dem wir sagen „Gott sei Dank hat Jesus das Alte Testament geändert“, und in Wirklichkeit leben wir diese alte Vorgabe heute noch oftmals in unserer Gesellschaft. Ich meine den Satz: „Aug um Aug, Zahn um Zahn“. Es ist für uns ein schlechtes alttestamentliches Vergeltungsdenken: „Wie Du mir, so ich Dir“. Doch da müssen wir ein bisschen genauer hinschauen. Zuerst einmal war diese alttestamentliche Bestimmung eine Einschränkung und für das damalige Rechtsdenken ein unerhörter Fortschritt. Denn es bot der Wut und der Lust auf Rache schon eine sehr deutliche Grenze: Wenn mir einer einen Zahn ausgeschlagen hat, dann darf ich in meiner Wut nicht darüber hinausgehen und meinem Gegner das ganze Gebiss einschlagen. Wenn mir jemand den Finger verletzt hat, dann darf ich ihn nicht gleich aus Zorn blutig schlagen. Heftiger zurückhauen war also nicht erlaubt, denn das wäre Unrecht gewesen. Ich darf dem anderen nur so viel wegnehmen, wie er mir weggenommen hat.

Aber jetzt kommt Jesus. Er macht es schwierig. Er verlangt, dass wir gar nicht zurückschlagen, sondern sogar noch die anderen Finger, die anderen Zähne hinhalten müssen. Wir sollen nicht nur nicht zurückschlagen, sondern auch noch die andere Wange hinhalten. Ich soll mir nicht nur das Hemd wegnehmen lassen, sondern ich soll auch gleich noch meinen Mantel dazugeben. Und wenn mich einer zwingt, eine Meile mitzugehen, dann soll ich freiwillig gleich zwei Meilen mitgehen. Und da kann man sich fragen: Ist das wirklich ernst gemeint? Zieht man da nicht am Ende den Kürzeren? Und wird man da nicht zum Gespött der Leute? Das ist doch etwas für Schwächlinge, die sich nicht wehren können. So zu reagieren, wie Jesus es vorschlägt, verlangt schon eine sehr große Überwindung und Selbstbeherrschung.

Und ich möchte zweitens zu bedenken geben, dass wir in unserer Gesellschaft doch immer wieder dieses Prinzip anwenden. Wenn mich jemand grüßt, dann grüße ich ihn auch. Wenn er mich nicht grüßt, grüße ich ihn auch nicht. Wenn jemand mich einlädt, dann lade ich ihn auch ein. Wenn jemand mir ein Geschenk macht, dann revanchiere ich mich und möchte ihm auch etwas schenken.

Weiters müssen wir zugeben, dass es nicht so schwer ist, einen armen Mann etwas Gutes zu tun, einem Bettler, der nichts hat, einen, der dankbar ist und wo ich weiß, dass es in Anführungszeichen einen Sinn hat, weil ich ihm geholfen habe. Schwieriger oder am schwierigsten ist es, einem etwas Gutes tun, den ich nicht mag, einem Reichen Liebe schenken, der es in unseren Augen nicht verdient hat, weil er geizig ist, ihm trotzdem Zeit schenken, obwohl er sich eigentlich selber alles kaufen und leisten kann.

Am schwersten ist es, wenn ich also jemanden Gutes tue, wo ich mich wirklich überwinden muss.
Jesus aber ist es wichtig, dass wir nicht im alten Feind-Schema stecken zu bleiben, nicht mit gleicher Münze zurückzahlen, sondern dass wir anders reagieren, als ein Feind es erwartet hätte. Denn vielleicht kann ich meinen Gegner mit meiner Reaktion und meinem anderen liebevollen Verhalten so „überraschen“, dass er vielleicht ins Nachdenken kommt und genau damit der Streit oder die Gewalt unterbrochen wird.  Wenn jemand anders reagiert, wie normal, nämlich Böses mit Gutem vergilt, kann jemand bekehrt werden. Die Chance, dass die Gewalt aufhört, ist dann größer, wenn ich eben nicht zurückschlage, wenn ich nicht so weitermache, wie der andere angefangen hat, sondern wenn ich dem Anderen die Liebe Gottes entgegenstelle. Ich soll nicht heimzahlen, sondern aufhören. Ich soll nicht weitermachen wie der andere angefangen hat, sondern ein christliches Signal setzen. Das Signal lautet: Ich mache bei Deinem Streit nicht mit. Ich lasse mich von Dir nicht zum Feind machen. Ich habe kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit Dir, sondern ich will Frieden, und ich mache den ersten Schritt darauf hin!
Jesus nennt das: Die Feinde lieben Ist das nicht auch wieder „typisch Jesus“ und damit von vornherein eine Überforderung? Freunde kann man lieben, aber doch keine Feinde?  Jesus möchte, dass wir aussteigen aus diesem „Wie du mir, so ich Dir“. Wir dürfen dem Feind nicht auch wie ein Feind gegenübertreten, sondern wie einer, der Frieden will. Und das ist echte Arbeit: Da muss ich an mir arbeiten. Das kostet etwas. Das kostet Überwindung. Das ist schwer. Das muss ich lernen. Die Motivation dazu ist, weil Gott so ja auch mit mir umgeht. Und deswegen nicht mehr „Wie du mir, so ich dir“, sondern „Wie Gott mir, so ich dir“. So können wir den Teufelskreis des Bösen unterbrechen und dem Frieden eine Chance geben. Und das geht nur dann, wenn ich es lerne, wenn ich es übe und vielleicht ist der erste Schritt, dass ich in diese Richtung bete, dass aus Feinden Freunde werden können. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024