31. Sonntag im Jahreskreis A 2023
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31. Sonntag im Jahreskreis 2023 A

Messtexte | Word-Dokument

In den Reden Jesu kommen die Pharisäer so schlecht weg, dass es direkt notwendig ist, vorweg daran zu erinnern, dass die Pharisäer, fromme und gewissenhafte Leute waren, die ihren Glauben an Gott sehr ernst nahmen, die die Vorschriften des Gesetzes genau beachteten und treu einhielten, die sich bemühten, gerecht und gut zu leben, die Opfer brachten und wirklich Leistung vorzuweisen hatten. Und wenn sie von den anderen immer wieder verlangten, dass alle sich bemühen sollten, dem Gesetz Gottes treu zu sein, die Gebote zu erfüllen und den Glauben an Gott ernst zu nehmen, dann taten sie damit nichts Falsches. Jesus lobt sie gewissermaßen. Er sagt: „Tut, was sie sagen!“

Und doch rechnet Jesus gnadenlos mit ihnen ab. Er macht sie darauf aufmerksam, dass sie Heuchler sind, selbstgerecht, lieblos und im Grunde unwahr. Er wirft ihnen vor, dass sie den Menschen den Glauben an Gott zur Last werden lassen, dass sie für die Menschen immer neue Vorschriften erfinden, um ihnen das Leben schwer zu machen und dabei sich selbst heraushalten. Es gibt Dinge, die ihnen leichtfallen und die sie von anderen einfordern. Sie drücken sich vor eigenen Lasten. Jesus wirft ihnen vor, dass sie ihr Gutsein und ihre Gesetzestreue zur Schau stellen, sich etwas darauf einbilden und sich ehren lassen.

„Tut und befolgt alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun.“ Dieser ernste Satz regt an zu einer intensiven Gewissenserforschung besonders bei den Priestern. Diese eindringlichen Worte Jesu betreffen das Auseinanderklaffen von dem, was Priester verkünden und dem, was sie tun.

Die Menschen von heute haben ein sehr feines Gespür dafür, ob der Priester wirklich mit seiner ganzen Person hinter dem steht, was er verkündigt, und sie passen auch auf, ob er selber bemüht ist, das zu leben.

Gerade das achte Gebot „Du sollst nicht lügen!“ erinnert uns daran, dass unser Leben keine Heuchelei, keine Unwahrheit sein soll, sondern Wahrheit, das heißt: totale Übereinstimmung von Reden und Tun. Alles andere macht sowieso nur krank. Wenn ein Priester ein ganz anderes Leben führt als er verkündet, ist das nicht nur ein Anstoß für die Gläubigen und mit Recht als Heuchelei zu verurteilen, sondern er ist dann innerlich sehr gespalten und zerrissen, sodass dies auch nicht unbedingt gesundheitsfördernd ist.

Eines ist auffallend: Der Herr macht den Pharisäern und Schriftgelehrten zwar den Vorwurf, dass Verkündigung und Tun sich widersprechen, doch kann er sie wegen ihrer Lehre selbst nicht tadeln: „Alles, was nur immer sie sagen, das haltet und tut.“

Ich denke mir manchmal: Wenn nur wenigstens das bei uns Priestern immer der Fall wäre. Auf so manches wäre in der heutigen Zeit hinzuweisen. Der hl. Paulus hat nicht viel Verständnis für jemand, der seine eigene Menschenweisheit predigt: „Wer euch ein anderes Evangelium verkündet, der sei verflucht.“ Der Priester bekam die Aufgabe bei der Priesterweihe die Botschaft Christi zu verkünden, nicht die Eigene. Dies musste er vor dem Bischof versprechen.

Das Evangelium vom heutigen Sonntag hält uns allen einen Spiegel vor Augen. Wir sollten den Mut haben, uns darin anzuschauen. Wir sollten den Mut aufbringen, uns in Frage zu stellen.

Ich bin Pfarrer dieser Gemeinde, Amtsträger in der Kirche, auch sozusagen ein Schriftgelehrter. Was würde der Herr zu mir sagen? Was würde er über mich vor dieser Gemeinde feststellen? Tut, was er sagt; aber seid nicht so wie er? Sie gehören zu denen, die sonntags zur Kirche gehen. Würde Jesus über Sie sagen: Tut, was sie sagen; aber seid nicht so wie sie? Wir merken, dass uns diese Fragen ein bisschen unangenehm sind. Und doch wollen wir heute diese Fragen an uns heranlassen und Gott darum bitten: Herr, lass mich so sein, dass sich mein Tun immer mehr deiner Botschaft angleicht, sodass es nur heißen kann: Tut, was sie sagen und ahmt auch nach, was sie tun. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024