Gründonnerstag A 1999
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Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
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Gründonnerstag 1999 A

Messtexte | Word-Dokument

»Es war aber Nacht.« So schreibt der Evangelist Johannes, nachdem Judas den Bissen genommen hat, den ihm Jesus gereicht hat, und er hinausgegangen ist, um Jesus zu verraten.

Die Kirche kennt drei Gottesdienste, die in der Nacht gefeiert werden; die Heilige Nacht an Weihnachten, die Osternachtfeier übermorgen und den heutigen Abend- oder Nachtgottesdienst. Jede Nacht hat ihren eigenen Charakter. Jede Nacht hat ihre eigene Stimmung. Obwohl das Dunkel immer dasselbe bleibt, ist jede der drei Nächte verschieden und vermittelt andere Gefühle. So ist die heilige Nacht geprägt von einer gewissen Stille und strahlt Frieden über die ganze Welt aus. In der Osternacht möchte der Erdkreis jubeln über den Sieg über den Tod. Heute spüren wir eine Spannung zwischen der Nacht der Liebe Christi und der Nacht der Macht des Bösen.

Die Nacht der Liebe Christi, weil er uns diese Liebe zeigt, indem er sich uns zur Speise gibt in der Feier der ersten Heiligen Messe, indem er seine Jünger zu Priestern weiht, und indem er sich ganz klein macht, den Aposteln die Füße wäscht und sich damit zu einem Sklaven erniedrigt.

Die Nacht der Macht des Bösen, weil es die schaurige Nacht des Verrats war, in der man meint, alle Ketten des Teufels sind zersprungen! Das zeigt sich im Schriftwort: »Als Judas den Bissen genommen hat, ging er hinaus. Es war aber Nacht.« (Joh 13,30) Judas, in den nach den Worten des Apostels der Satan gefahren war (Joh 13,27), geht in die Nacht hinaus.

Wir spüren diese Spannung, bzw. diesen Wechsel der Stimmung auch im Ablauf der hl. Messe. Sie beginnt mit Orgel und feierlichem Gloria mit Glockengeläut. Sodann verstummt die Orgel, und die hl. Messe wird enden mit einer kurzen Andacht und Stille vor dem Allerheiligsten auf dem Seitenaltar.

Diese heutige Nacht ist belastet mit mancherlei Sünden. Sünden, die Jesus vorausgesehen hat. Sünden, die Jesus bereits angekündigt hat. Die schwere Sünde des Verrats des Judas erwähnt er im voraus. »Einer wird mich verraten.« Die Sünden der anderen Apostel prophezeit er. »Ihr werdet heute nacht alle an mir irre werden.« (Mt 26,31) Am Ölberg geschieht es dann: »Hierauf ließen ihn alle im Stich und flohen.« Das großspurige Reden des Petrus veranlaßt Jesus ihm seine 3-malige Verleugnung anzukündigen. Die vorschnelle Beteuerung des Petrus: »Herr, ich bin bereit, mit dir in Kerker und Tod zu gehen« (Lk 22,33) läßt uns überlegen: Wie weit sind wir bereit, mit Jesus zu gehen? Petrus hat versagt. Er ist nur bis in den Hof des Hohenpriesters gekommen. Dort hat er auf alles »Vergessen«, auf Kerker und Tod, ja sogar auf Jesus selbst: »Da begann er zu fluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht« (Mt 26,74). Viele von uns sind bereit, mit Jesus auf Tabor zu gehen und mit Worten ihm nachzufolgen. Wird es dann schwer, kann es vorkommen, daß auch wir fliehen und abhauen. Keiner trägt gern das Kreuz. Aber es gibt kein Ausweichen und Sich-vorbei-Drücken: »Will jemand mir nachfolgen, so verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir.« (Lk 9,23) Wir wollen nicht fliehen, sondern bei Jesus bleiben, besonders in dieser Nacht mit ihm diese Stunde wachen und beten. Während Jesus im Gebet mit dem Willen des Vater rangt, während er zitterte und bebte und Blutstropfen auf seiner Stirn standen, waren die Jünger eingeschlafen, dann geflohen.

Mehrere Male spricht Jesus zu seinen Jüngern und macht ihnen fast Vorwürfe. Zwei vorwurfsvolle Worte Jesu beim Aufenthalt auf dem Ölberg wollen wir betrachten.

Das erste vorwurfsvolle Wort, das mich betroffen macht, ist der Satz: »Konntet ihr denn nicht eine einzige Stunde mit mir wachen!« (Mt 26,40) Schlafende Jünger, während der Feind im Anmarsch ist. Ist dies nicht ein Bild der Kirche für unsere Zeit? Müde und kraftlos vom anstrengenden Tag. Sie kennen die Dreiteilung der Kirche: die triumphierende (im Himmel), die leidende (im Fegefeuer), die kämpfende (auf Erden) - aber dazu kommt noch die schlafende Kirche. Eine schlafende Kirche, wenn es um die Zurückdrängung des Atheismus, der Gottlosigkeit im eigenen Land geht. Eine schlafende Kirche, wenn es um das Stoppen des moralischen Verfalls unseres Volkes geht, – zögernde und oft harmlose Versuche, Proteste und Aufschreie, wenn es um die Tötungspille oder um die Fristenlösung geht. Eine schlafende Kirche, wenn es um die eine Stunde in der Woche geht, die Gott gehört. Wie viele sind es in Gars, für die das Wort gilt: Konntet ihr in der Woche nicht eine einzige Stunde wachen, wenn ich hingehe, mich von neuem für euch zu opfern? Am Sonntag möchte ich ausschlafen. Eine schlafende Kirche während der Sonntagspredigt, wobei im Einzelnen geklärt werden müßte, wo die Schuld liegt.

Das zweite vorwurfsvolle Wort Jesu heißt! »Judas, mit einem Kusse verrätst du den Menschensohn.« (Lk 22,48) Es ist eine Entweihung des heiligen Zeichens der Liebe. Wie oft mag sich das wiederholen – der Judaskuss? Nicht nur der falsche, verführerische Kuss der Liebe, wenn es nicht um die wahre Liebe geht, sondern jede Art von Falschheit. Entweihung des heiligen Zeichens der Liebe in der Eucharistie. Ich denke an den Empfang der heiligen Kommunion im Stand der schweren Sünde. Judas nahm den Bissen und ging hinaus. Es war Nacht. Wie oft verraten wir Jesus! Empfange ich Jesus in der Eucharistie, das Zeichen seiner Liebe und bemühe ich mich gar nicht besser zu werden und nicht zu sündigen. Das gewohnheitsmäßige Kommunizieren ohne Selbstprüfung. Ich darf an die Osterbeichte erinnern. Aber nicht weil es Tradition ist und weil es sein muß, sondern erforschen sie wirklich ihr Gewissen. Hat Judas überlegt, was er tut, als er Jesus geküßt hat?

Es war Nacht. Davon sind wir ausgegangen. Aber langsam wird sich ein Wandel vollziehen. Lichter tauchen auf. Es sind nicht die Laternen und Fackeln der Hohenpriester und Pharisäer, sondern es ist jenes Licht der Kerze, das die selige Nacht erhellt. Das Licht der Auferstehung läßt sich nicht aufhalten. Wir wissen, es bleibt nicht ewig diese Nacht. Es bricht der Ostermorgen an. Der Strahl, der Glanz des Ostersieges kommt unausweichlich. Mit dieser Hoffnung dürfen wir diese Tage begehen. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024