Osternacht A 1999
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Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
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Osternacht 1999 A

Messtexte | Word-Dokument

Christus ist auferstanden! Ja, er ist wahrhaft auferstanden!

So begrüßen sich heute und in den folgenden Tagen die orthodoxen Christen. Im Gruß soll die frohe Botschaft, die in dieser Nacht sich erfüllte, bereits ausgedrückt und verkündet werden. Denn heute jubelt der ganze Erdkreis. Der Tod ist besiegt. Die Erlösung ist geschehen. Die Menschheit ist gerettet. Der Teufel hat verspielt. Jesus lebt! Das Grab ist leer!

An Ostern feiert die Kirche die Auferstehung des Herrn. Es ist das Zentrum unseres Glaubens. Wäre Christus nicht auferstanden und gäbe es keine Auferstehung, wäre unser Glaube sinnlos. Der hl. Paulus sagt: »Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig.« (1 Kor 15,17) Die Kirche feiert heute den Triumph des Lebens über den Tod.

Ostern ist also das Hochfest des Lebens. Das Wort »Leben« ist das erste Thema. Jesus lebt. »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten.« (Lk 24,6) sagt der Engel. Wir erinnern uns an die Worte Jesu: »Ich bin die Auferstehung und das Leben.« (Joh 11,25) »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.« (Joh 14,6) Es ist das Evangelium des Lebens, das wir gehört haben, und es entlockt uns dreimal den feierlichen Ruf »Halleluja«.

Vielen ist die Tragweite dieses Sieges, den wir heute feiern, nicht bewußt. So wie die Frauen und die Apostel von damals es momentan auch gar nicht fassen konnten, was geschehen ist. Menschlich ist dies allzu sehr verständlich. Wie kann ein Mensch von den Toten auferstehen? Das kann nur Gott, der Herr über Leben und Tod! Ist er also doch der Messias, der Sohn Gottes? Die Jünger freuten sich zwar, hatten aber auch große Angst vor dem Unfaßbaren. Erst langsam kam die ganze Osterfreude zum Durchbruch. Erst langsam wurde die Fülle, das volle Ausmaß dieses Sieges den Aposteln bewußt.

Ostern ist zweitens das Fest der Freude. Freude über den Sieg des Lichtes über die Finsternis. Ostern ist das Fest des Lichtes und der Sonne. Nun hoffen die Emmausjünger wieder. Nun glaubt ein Thomas wieder. Nun jubelt eine Magdalena wieder. Nun frohlocken alle seine Jünger. Es ist wahr. Alles, was er vorausgesagt hat, ist eingetroffen. Das Zeichen des Jona kommt ihnen in Erinnerung. So wie Jona 3 Tage im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein. (Mt 12,40) Den Streit über das Niederreißen des Tempels verstehen sie nun. »Reißt diesen Tempel nieder, und ich will ihn in drei Tagen wieder aufbauen.« (Jo 2,19)

Wir wissen aber auch, daß Jesus sein Kreuz zuerst tragen mußte. Durch Leid zur Freude. Durch Nacht zum Licht. Durch Kampf zum Frieden. Das ist der Lebensweg des Christen. »Mußte nicht Christus dies alles leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?« (Lk 24,25) Aber jetzt ist alles vollbracht. Der Wille des Vaters ist erfüllt.

Wenn wir zurückblicken zu diesem ersten Ostern, müssen wir feststellen, daß noch kein Halleluja und noch kein Exsultet gesungen wurde. Im Gegenteil. Es waren Tage der Angst. Es waren Tage der Aufregung und eines heillosen Durcheinanders nicht nur im Jüngerkreis, sondern auch auf der Gegenseite, die die Wächter zu der Aussage verleiteten: »Während wir schliefen, sind seine Jünger nachts gekommen und haben ihn, seinen Leichnam gestohlen« (Mt 28,13). Aus Angst haben sie gelogen.

Die Angst steht auch am Anfang der Passion. Bei der Gefangennahme ließen die Jünger Jesus aus Angst im Stich und flohen. War es bei Petrus nicht die Angst, als er seinen Meister dreimal verleugnete? Un nun bricht der Ostersonntag an. Begreiflich, daß die Wächter am Grab aus Furcht zitterten und wie tot waren. Der Engel muß die Frauen mahnen. Fürchtet euch nicht. Auch der Evangelist Markus berichtet von den Frauen, daß sie sehr erschraken, ja daß sie eilends vom Grab flohen, denn Furcht und Zittern hatte sie erfaßt und vor lauter Furcht sagten sie niemand etwas davon. Aber diese Furcht hatte nicht nur die Frauen erfaßt. Als Jesus den Jüngern erschien, ist sein erstes Wort: »Fürchtet euch nicht« (Mt 28,10)! Noch deutlicher formuliert es Lukas: Als Jesus in der Mitte seiner Jünger plötzlich erschien, glaubten sie vor Angst und Schrecken einen Geist zu sehen (Lk 24,37). Diese Furcht hielt den ganzen Tag an, die verschlossenen Türen sind der Beweis (Joh 20,19). Kein Wunder, wenn ein Toter, ein Hingerichteter plötzlich vor einem erscheint, da braucht es schon einige Zeit, sich zurechtzufinden. Die Reaktion der Frauen und der Apostel war eine ganz natürliche. Die Aufregung war berechtigt. Denn mit der Auferstehung Jesu ist eigentlich alles auf den Kopf gestellt worden. Ein erwachsener Mann, der gekreuzigt wurde, in einem verschlossenen, versiegelten Grab beigesetzt und bewacht wurde, kehrt zurück ins Leben. Er ist nicht mehr an Raum und Zeit gebunden, er ist kein Geist, er besteht aus Fleisch und Blut und man kann die Wunden befühlen; man versteht, daß die, die ihn kannten, außer sich waren. Furcht und Angst wurden aber dann durchgestrichen. Das wollen wir verkünden. Sicherlich, mit dem Osterruf »Er ist auferstanden« ist Leid und Tod nicht ausgelöscht, im Kosovo wird weiter geschossen, aber hinter all dem ist keine dunkle Mauer mehr, der Stein ist weggewälzt und man erblickt wohl ein Grab, aber es ist leer! Jesus lebt. Darum dürfen wir in einer Welt der Angst »Halleluja« singen und uns jener Freude hingeben, die, wie der Herr sagt, niemand von uns nehmen wird (Joh 16,22). Das ist das ewige Ostern, das wir verkünden! Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024