22. Sonntag im Jahreskreis B 2000
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Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
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22. Sonntag im Jahreskreis 2000 B

Messtexte | Word-Dokument

„Sie ehren mich mit den Lippen, das Herz aber ist weit weg von mir.“  Dieser Vorwurf an die Pharisäer galt damals und gilt heute für viele in unseren Kreisen. Wir alle müssen uns immer wieder fragen: Wo ist unser Herz, wenn ich in die Kirche gehe? Wo ist mein Herz beim Gebet? Wie bete ich richtig? Ist Gott ein Automat, wo ich oben so und so viele Gebete reinwerfe, um dann unten das Gewünschte zu erhalten? Wie viele jammern: Mein Gebet wird nicht erhört? Wie viele zweifeln daher: Gibt es diesen Gott? Bei wie vielen schwindet das Gottvertrauen, wie viele werden mutlos?

Wir alle wissen: Gott ist eben kein Automat, wo ich etwas fordern und verlangen kann, wenn ich ihm etwas von meiner Zeit schenke. Es ist eben nicht so wie in einem Geschäft: Wenn ich etwas um Geld kaufe, dass ich dann ein Recht habe, die Ware zu bekommen. Ich habe kein Recht zu sagen: So und so viele Gebet habe ich gesprochen, darum muss mir jetzt mein Wunsch erfüllt werden. 

Wenn ich Gott die Zeit schenke und ich zu ihm bete, ist das gut. Und doch will Gott uns auf eine höhere Stufe führen, denn viele tun sich schwer mit dem Gebet. Viele stöhnen immer wieder: Die Gedanken sind ganz woanders, wenn ich bete. Ich kann mich nicht konzentrieren. Trifft mich da nicht der Vorwurf: Sie ehren mich mit den Lippen, das Herz aber ist weit weg von mir.

Die Pharisäer, denen dies besonders vorgeworfen wird, werden immer wieder erwähnt und wir werden mit ihnen konfrontiert, wenn wir uns mit dem Leben Jesu beschäftigen. Wer aber sind diese Pharisäer? Warum kommt es zu dieser katastrophalen Feindschaft mit den Pharisäern?

Wenn wir die Pharisäer betrachten, müssen wir feststellen, dass viel Positives über sie berichtet wird. Die Pharisäer glaubten z. B. an die Auferstehung der Toten und an die Existenz der Engel. Die Sadduzäer, auch eine jüdische Gruppe, leugneten dies und lehnten es ab. Von daher möchte man meinen, dass sich Jesus mit den Pharisäern gut verstehen könnte.

Der hl. Paulus kennt diese unterschiedlichen Auffassungen auch und nützt es einmal sogar schamlos aus, um von sich abzulenken. Als er angeklagt wird, behauptet er, er sei vor Gericht, weil er an die Auferstehung der Toten und an die Engel glaube. Daraufhin entstand ein Streit unter den Juden zwischen Pharisäern und Sadduzäern.

Die Pharisäer waren unter den Juden die Elite, die Vorbildlichen, die Frommen. Sie haben wirklich viel getan, gebetet, gefastet, Almosen gegeben, korrekt alle Regeln aufs genaueste gehalten.

Warum kommt es trotzdem zu dieser Tragödie? Schließlich sind die Pharisäer die, die den Tod Jesu fordern! Die Pharisäer sind die Hauptschuldigen dafür, dass Jesus gekreuzigt wurde.

Obwohl also die Denkweise und der Glaube der Pharisäer mit der Botschaft Jesu am meisten übereinstimmte und ähnelte, gibt es doch Unterschiede und auch Fehler, die Jesus ankreidete. Kritik aber vertrugen die Pharisäer am allerwenigsten.

Jesus wirft ihnen besonders 3 Dinge vor:

Wenn sie sich an das Gebet des Pharisäers und das Gebet des Zöllners erinnern, wirft er ihnen erstens Hochmut vor. Der Pharisäer fastet wirklich zweimal in der Woche und gibt den Zehnten von allem, was er verdient. Aber er ist stolz und überheblich.

Zweitens wirft er ihnen Ehrsucht vor, wenn er kritisiert, dass sie gern alles Fromme tun, um sich zur Schau zu stellen. Sie nehmen gern den Ehrenplatz bei den Gastmählern und die ersten Sitze in den Synagogen ein, lassen sich auf den öffentlichen Plätzen grüßen und von den Leuten als Meister anreden.

Besonders aber wirft er ihnen drittens Heuchelei vor. Der nach außen zur Schau gestellte Haltung fehlt die richtige innere Einstellung. Sie geben sich fromm. Sie halten fest an den vielen jüdischen Gesetzen und Reinheitsvorschriften, die belastend sind und die keiner mehr einhalten konnte. Hier weist Jesus darauf hin, dass die innere Einstellung – das Herz – wichtiger ist.

So würde Jesus auch heute auf so manches hinweisen: Würde nicht auch heute Jesus alle, die hier in der Sonntagsmesse sind, anschauen und vielleicht sogar sagen: Viele ehren mich nicht einmal mit den Lippen. Manche schweigen leider, wenn Lieder gesungen werden. Sie nehmen nicht einmal ein Gotteslob zur Hand, um wenigstens still mitzubeten, wenn sie nicht singen können. Gehen die Anwesenden nur in die Kirche, weil es Vorschrift ist, aber ihr Herz ist weit weg? Manche kommen lieber ein paar Minuten zu spät als zu früh. Und bevor der Priester noch in der Sakristei ist, strömen manche schon hinaus. Sie ehren mich nicht einmal mit den Lippen.

Auch bei der Beichte ist es leider ähnlich. Wie viele beichten einmal im Jahr, weil sie halt müssen, weil die Kirche darauf drängt. Von Reue und Umkehr ist manchmal wenig zu merken. Das Leben geht auch nach der Beichte genauso weiter, wie wenn nichts geschehen wäre. Sie ehren mich mit den Lippen, aber ihr Herz ... 

Wir sind am Anfang davon ausgegangen, dass sich viele mit dem Beten schwer tun. Wenn wir die großen Heiligen anschauen, sehen wir, dass diese auch nicht von heut auf morgen alles gekonnt haben. Ein hl. Pfarrer von Ars sagte einmal, als er gefragt wurde, warum er in der Kirche sitze und nichts sage: „Ich schaue Gott an und er schaut mich an.“

Das ist aber ein großes Beten. Schweigen kann ein großes Beten sein. Gott schaut auf die Liebe. Wer Sehnsucht hat zu beten, betet bereits. Also nicht gleich mutlos werden, wenn wir meinen, das Gebet sei nicht so gut. Der gute Wille ist da. Gott sieht ins Herz. Die Zeit muss ich mir schon nehmen. Aber wenn beim Beten die Gedanken woanders sind, wenn die Probleme, Nöte und Sorgen des Alltags mich nicht loslassen, dann darf man sich nicht ärgern.

Gott will, dass wir ihm das alles persönlich sagen. Sprechen wir so mit ihm und es ist ein großes Beten. Oft denke ich mir, so mancher will sich gar nicht auf Gott einlassen. Gott will uns zwar die Gnaden ins Herz einfließen lassen, aber wir wehren uns. Die Gnade kommt von oben und unser Kopf will nicht, dass Gott in unser Herz kommt. Er verhindert das. Geben wir den Kopf weg, unseren bockigen Eigenwillen und lassen die Gnade durchströmen ins Herz. Dann kann uns Jesus nicht den Vorwurf machen: Sie ehren mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit weg. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024