6. Sonntag im Jahreskreis B 2000
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6. Sonntag im Jahreskreis 2000 B

Messtexte | Word-Dokument

Der Aussatz galt lange Zeit als unheilbar und war eine der schlimmsten Krankheiten! Immer mehr wurde der Betroffene von Geschwüren zerfressen, bis er nach etwa 9 Jahren – geistig völlig zerfallen – in ein Koma fiel und starb.

Mit dieser Krankheit verband sich die totale Isolation von der menschlichen Gemeinschaft, denn wer mit einem Aussätzigen in Kontakt kam, musste damit rechnen, selber angesteckt zu werden. In der Lesung aus dem Buch Levitikus, ist genau beschrieben, wie sich ein Aussätziger zu verhalten hat. Schon von fern hatte der Aussätzige zu schreien: „Unrein! Unrein!“ So konnte ihm jeder rechtzeitig aus dem Weg gehen. Er sollte eingerissene Kleider tragen, das Kopfhaar ungepflegt lassen und den Schnurrbart verhüllen, damit man ihn von weitem erkennt. Selbst auf offenen Plätzen durfte er nicht gegrüßt werden. Mindestens zwei Meter musste man von ihm Abstand halten.

Kein Aussätziger hätte sich getraut, diese Grenze zu überschreiten, denn er wusste, dass er mit Steinen davongejagt würde. Er ist unrein. Unser Aussätziger aus dem Evangelium ist daher sehr mutig, wenn er sich Jesus zu Füßen wirft. Sein Vertrauen zu Jesus ist so groß, dass er es in seiner grenzenlosen Not und Verlassenheit wagt, sich über alle gesetzlichen Schranken hinwegzusetzen und auf Jesus zuzugehen. Er hatte die innere Gewissheit, dass Jesus etwas kann, was sonst keiner fertig bringt.

Durch diesen Mann erfahren wir, dass keiner sich zu fürchten braucht, er sei zu unrein, um sich Jesus nähern zu dürfen. Er sehnte sich nach Reinheit.

Wir kennen das Wort Reinheit in einem anderen Sinn auch. Ich meine damit die Keuschheit. Darüber muss man heute leise reden. Ist diese Tugend der Reinheit überhaupt noch gefragt? Die Werbung arbeitet auf alle Fälle noch mit dem Wort „rein“. Ob das ein Waschmittel ist, das porentief rein wäscht. Oder ob das die Kosmetik ist, die einen schönen reinen Menschen aus einem macht.

Überall wird auf Schönheit und Reinheit wert gelegt. Aber das Ringen der jungen Menschen um die Reinheit scheint gestorben zu sein. Der moralisch-sittliche Verfall ist weit fortgeschritten und die größte Sünde besteht darin, dass man die Sünde nicht mehr Sünde sein lässt, sondern alles als erlaubt darstellt.

Wie viele haben keine Probleme mehr mit Ehebruch, mit jeglicher Art von Ehebruch. Dazu gehören auch die „vorehelichen Ehebrüche“. Wie viele haben keine Probleme mehr mit Abtreibung? Wie viele hören nicht mehr auf die Kirche, wenn es um die richtige Art von Empfängnisregelung geht? Wie wird heutzutage versucht, die Jugend mit allerlei Zeitschriften, Filmen und ähnlichen Dingen zu verderben?

Und die Jugend ist zu schwach sich dagegen zu wehren, weil vielen Jugendlichen die Kraftquellen fehlen, weil ihnen die hl. Messe, die Beichte und das Gebet genommen sind. Das Streben nach Reinheit und Keuschheit kennen viele gar nicht mehr. Das Wort „Unschuld“ wagt man gar nicht mehr in den Mund zu nehmen, denn man könnte ausgelacht werden.

Der Kampf gegen diese Zeitschriften, Illustrierte und Hefte, die unsere Kinder vom richtigen Weg abbringen, scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Oftmals hat die Jugend diesen Kampf gegen die Sünde aufgegeben. Und doch kann jeder zu Jesus kommen und ihn bitten: „Herr, wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde.“ Jesus lässt ihn nicht im Stich.

Jesus ist der Heiland, der nicht nur den äußeren Aussatz heilen kann, sondern auch den inneren Aussatz der schweren Sünde, wenn er sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben.“

Obwohl Jesus den Aussätzigen nicht an sich herankommen lassen durfte, streckte Jesus seine Hand aus, berührte ihn und sagte: „Ich will es: Werde rein!“ Hier offenbart sich die göttliche Macht Jesu wieder. Er nutzt sie, um zu helfen und um zu heilen. Die Liebe zu den Menschen drängt ihn.

In vielen Heiligen wurde dieses Bedürfnis wach, diesen Menschen Liebe zu schenken. Das sehen wir, wenn ein hl. Franziskus, der früher vor jedem Aussätzigen einen heftigen Ekel empfand, nach seiner Bekehrung in sich eine Kraft fühlte, die ihn selbst überraschte. Er warf dem Aussätzigen nicht ein Almosen zu; vielmehr ergriff er dessen verkrüppelte Hände und küsste sie.

Auch ein Mutter Theresa ist hier ein Vorbild. Ihre Liebe drängte sie, zu den Armen nach Indien zu gehen. Auch in der heutigen Zeit gibt es solche Menschen. Viele junge Schwestern sind diesem Ruf gefolgt und in ihren neugegründeten Orden der „Missionarinnen der Nächstenliebe eingetreten.

Diese Liebe geht von Jesus aus, der sie uns vorgelebt hat, der den Menschen gesund sehen will, der damals sagte: „Ich will es – werde rein.“ Jesus will es auch heute. Er hat aber nur unsere Hände, mit denen er helfen kann und helfen will. Wir sollen die wahre Nächstenliebe leben.

Jeder von uns kann das tun. Und wenn es nur ein Besuch bei kranken Leuten ist. Wenn es nur ein Lächeln, ein liebes Wort zu einem Behinderten ist. All das ist das Gegenteil von Ausgrenzung. Aussatz und Ausgrenzung bedeuteten für den Aussätzigen zur Zeit Jesus doppeltes Leid. Jesus verschafft Heilung vom Aussatz, von Krankheit und Sünde, wenn er auch uns zuruft: Ich will es – werde rein! Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024