28. Sonntag im Jahreskreis B 2012
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28. Sonntag im Jahreskreis 2012 B

Messtexte | Word-Dokument

Ein sehr weiser Mann kam einmal nach mühevoller Wanderung zu einem Dorf und ließ sich am Dorfrand unter einem Baum nieder, um dort zu übernachten. Plötzlich rannte ein Dorfbewohner zu ihm hin und rief: „Gib mir den Stein! Gib mir den kostbaren Stein!“ – „Ja, welchen Stein?“, fragte der Weise. „Letzte Nacht hatte ich einen Traum“, sagte er. „Bei Einbruch der Dunkelheit werde ich am Dorfrand einen weisen Mann treffen, der mir einen kostbaren Stein geben würde, damit ich für immer reich bin.“

Der Weise durchwühlte seinen Rucksack und zog einen Stein heraus. „Du meinst wohl diesen hier“, sagte er und gab ihm den Stein. „Ich hab ihn vor einigen Tagen auf einem Waldweg gefunden. Er scheint für dich bestimmt zu sein, also sollst du ihn haben.“ Staunend betrachtete der Mann den Stein. Es war ein Diamant, ein ungeheuer großer, kostbarer und wertvoller Diamant. Er nahm ihn und ging heim.

Doch die ganze Nacht wälzte sich der Mann in seinem Bett. Er konnte kein Auge zu machen und keine Minute schlafen. Er hatte die Gedanken immer bei diesem kostbaren Stein. Am nächsten Morgen stand er wie gerädert auf, nahm den Stein und brachte ihn zurück. „Nimm ihn wieder, ich will ihn nicht haben, aber bitte gib mir stattdessen den Reichtum, der es dir ermöglicht hat, mir zuvor diesen Stein so leichten Herzens zu geben.“

Welchen Reichtum hast du, dass du dich so leicht, von diesem Stein trennen konntest, dass du mir einen Diamanten geben konntest, ohne etwas zu verlangen? So was schenkt man doch nicht einfach her, noch dazu einem wildfremden Mann, auch nicht wenn er davon geträumt hat! Ich möchte wissen, warum du das konntest. Du bist doch nicht dumm. Du bist intelligent und trennst dich von etwas ganz Wertvollem. Warum?

Genauso haben sich damals die Leute gefragt, als der heilige Franziskus alles hergeschenkt hat. Der reiche Tuchhändler lebt plötzlich ganz arm, ohne Besitz und schenkt alles her. Er will kein Eigentum mehr haben. Er verlangt nichts für sich, lebt für die anderen, pflegt die Kranken, wandert umher und predigt vom Reich Gottes wie Jesus es gesagt hat, so wie Jesus es vorgeschlagen hat.

„Verkaufe alles, was du besitzt, gib den Erlös den Armen und folge mir nach.“ Der reiche Jüngling, der übrigens ein sehr frommer Mann war, ein gottesfürchtiger Mensch, hat alle Gebote gehalten von Jugend auf. Wer kann das ganz ehrlich von sich behaupten? Sicherlich so schnell keiner. Dieser Mann aber konnte sich leider nicht von seinem Reichtum lösen. Er hängt an diesem irdischen, materiellen Geld. Wie viele lassen sich auch in der heutigen Zeit davon blenden? Streben auch wir nach materiellem Besitz, nach irdischen Gütern und wollen immer mehr? Es glitzert so schön, das Gold, das Geld. Ich kann mir alles leisten und ohne Sorgen anscheinend leben.

Aber mahnend hören wir die Worte Jesu: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Himmelreich kommt.“ Wie oft ist mit Geld Streit, Neid und Geiz verbunden? Wie oft kommt dadurch Unfriede ins Haus? Wie oft sind daraus lange Feindschaften entstanden? Immer spielte das liebe Geld eine wichtige Rolle.

Liebe Brüder und Schwestern, löst euch davon und ihr werdet wirklich glücklich und habt eine große Sorge weniger. Nämlich das viele Geld zu verwalten.

Jesus sagt: „Ihr werdet einen bleibenden Schatz im Himmel erhalten.“ Also probiere das aus und befreie dich davon. Auch wenn wir keinen Diamanten besitzen, können doch andere Menschen merken, dass wir so einen Schatz im Himmel anstreben.

Wie merken sie es? Sie merken es, wenn wir im Alltag etwas aus reiner Liebe tun, ohne etwas dafür zu erwarten. Sie merken es, wenn wir geben ohne den Hintergedanken: „Ich gebe, damit du gibst“. Sie merken es, wenn wir auf etwas verzichten, frei und ohne Zwang, um einen anderen eine Freude zu machen, ja um Gott eine Freude zu machen. Dies kann etwas ganz Kleines sein. Das muss kein Diamant sein. Aber so mancher merkt es vielleicht, dass es uns eine Überwindung gekostet hat. Und er überlegt und fragt sich. Warum hat er das getan? Wieso handelt er so? Und er kommt, wenn er nachdenkt, zu diesem Ergebnis: weil uns Gott im Himmel einen bleibenden Schatz schenken wird. Diesen Schatz wollen wir haben. Diesen Schatz wollen wir anstreben. Wir wollen auf Erden so leben, dass uns dieser Schatz im Himmel geben wird, denn nicht der Schatz aus Gold und Perlen auf Erden macht glücklich, sondern dieser Schatz in der Ewigkeit macht uns einmal unendlich glücklich. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024