31. Sonntag im Jahreskreis B 2012
www. Predigtdienst.net
Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
Navigation

31. Sonntag im Jahreskreis 2012 B

Messtexte | Word-Dokument

Es geht heute um das oberste Gebot von allen. Welches Gebot steht über den 10 Geboten und über allen anderen Weisungen, die es im Judentum gegeben hat. Die Schriftgelehrten und Pharisäer haben aus dem Gesetzbuch des Moses über 600 Einzelgesetze herausgeholt. Bei dieser riesigen Anzahl soll man nicht verwirrt sein? Die Frage des Schriftgelehrten war also sicherlich ernst gemeint. Er hat all diese Gebote und Verbote studiert und wollte nun von Jesus wissen, was denn wirklich das Wichtigste, das Höchste ist. Man sah vor lauter Vorschriften nicht mehr den klaren Weg. Oder anderes ausgedrückt: vor lauter Bäumen nicht mehr den Wald. Nicht selten kam es deshalb unter den religiösen Führern zu Unsicherheiten und sogar zu Streitereien.

Die Antwort Jesu ist sehr bedeutsam. Er verbindet 2 Gebote, die im AT an zwei verschiedenen Stellen stehen. Das erste Gebot, die Gottesliebe, ist noch selbstverständlich für den Juden, aber das Verbinden mit der Nächstenliebe ist etwas Neues. Gottes- und Nächstenliebe nennen wir seither das Doppelgebot der Liebe, und es ist für uns Christen wirklich das Entscheidende und Wichtigste.

Wie aber kann ich feststellen, ob ich Gott wirklich liebe? Bei der Nächstenliebe ist das relativ einfach. Ich kann sie durch meine Werke beweisen, wenn ich dem Nächsten etwas Gutes tue und helfe. Aber bei Gott ist das etwas schwieriger. Gott ist nicht greifbar. Gott ist so fern, so weit weg. Liebe ich Gott wirklich oder bilde ich mir es nur ein? Andere sagen wieder: Mich bedrückt, dass ich so gar nichts von der Liebe Gottes in mir fühle und spüre, auch wenn ich Gott noch so sehr liebe.

Einerseits kann ja schnell einer behaupten: Ich liebe Gott! Das spüre ich! Aber ist das auch wirklich wahr? Stimmt diese Aussage? Ich kann es doch nicht beweisen. Andererseits leiden manche, die nichts merken und spüren von der Gottesliebe.

Hier müssen wir eines klar bedenken: Das Gefühl ist nicht das Wesentliche in der Gottesliebe! Jesus sagt: Der ist es, der mich liebt, der meine Gebote hält. An den 10 Geboten wollen wir uns ausrichten. Seine Gebote erfüllen und nach seinem Willen handeln! Das ist Ausdruck der Liebe zu ihm. Damit kann ich feststellen, ob ich Gott liebe, auch wenn ich nichts spüre. Ich weiß, dass ich Gott liebe, wenn ich Eifer für Gott und seine Sache habe, und wenn ich Treue zeige im Kampf gegen die Sünde. Ich sehe meine Gottesliebe in den Werken in meinem Leben. Wie gestalte ich mein Leben? Und da ist schon der Zusammenhang wieder festzustellen. Wer die Nächstenliebe lebt, der hat auch Gottesliebe im Herzen!

Das Doppelgebot der Liebe, das Jesus fordert, stellt uns da vor eine große Herausforderung. Das liegt schon in der Natur der Liebe, denn die Liebe sagt niemals: Jetzt ist es genug: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.“ Gott will nicht nur Almosen, nicht nur unsere Gaben, nicht nur unser Tun, unsere Werke, sondern er will uns selbst mit unserm ganzen Sein, mit Leib und Seele, mit Körper und Geist. Er will alles von uns. Er will uns ganz.

Hier werden wir immer sagen muss: Ich muss noch an mir arbeiten. Ich muss mich noch bemühen. Ich habe wieder versagt und zu wenig geliebt.

Jesus hat die beiden Liebesgebote untrennbar miteinander verbunden wie die zwei Balken des Kreuzes. Der senkrechte Balken ist die Liebe zu Gott. Der Querbalken die Liebe zu Nächsten. Jesus ist die Liebe selbst und will uns mit seinem Liebestod am Kreuz dies zeigen. Er gab sein Leben hin für diese Liebe: Die Liebe zum Vater und die Liebe zu uns Menschen, zum Nächsten. Wir dürfen weder das eine noch das andere streichen. Wer die Nächstenliebe streicht, wird zu einem Betbruder mit Scheuklappen. Wer die Gottesliebe streicht, wird zu einem gottlosen Humanisten.

Bemühen wir uns die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten in unserem Herzen lebendig zu halten und immer mehr zu entzünden. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024