Allerheiligen B 2015
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Allerheiligen 2015 B

Messtexte | Word-Dokument

Das Fest Allerheiligen ist ein Fest mit dem Blick zum Himmel. Die Kirche erinnert uns daran, dass es ganz viele Menschen sind, die ihr Ziel bei Gott erreicht haben. Es ist ein Fest der Hoffnung und des Trostes. Nicht nur die paar tausend von der Kirche offiziell heiliggesprochene Personen sind in der ewigen Glückseligkeit, sondern viele unbekannte Menschen, die geglaubt haben, die die Gebote gehalten haben und die Gutes getan haben.

So wie es auf Soldaten-Friedhöfen manchmal eine Gedenkstätte für den „unbekannten Soldaten“ gibt, und so wie es in Athen auf dem Areopag zur Zeit des Paulus einen Altar für einen eventuellen unbekannten Gott gegeben hat, was Paulus aufgegriffen hat und dann von unserem Gott Jesus Christus gesprochen hat, so kennt die Kirche seit über 1500 Jahren ein Fest für die unbekannten Heiligen, die wir im Jahresverlauf nicht ausdrücklich feiern, an die niemand in dieser Welt denkt.

Wir werden heute auf den Friedhof gehen und an unsere Verstorbenen denken. Wir werden für sie beten mit der Gewissheit, dass all unsere Gebete von Gott gehört werden und dass diese Gebete unseren Verstorbenen helfen. Viele auf diesem Friedhof sind solche unbekannte Heilige, die schon für immer im Frieden Gottes ruhen. Viele brauchen unsere Gebete nicht mehr. Die Gebete sind aber nicht umsonst, wenn wir für jemand beten, der schon im Himmel ist. Diese Gebete werden bildlich gesprochen umgeleitet für jemand, der sie noch braucht, der noch im Fegfeuer ist.

Allerheiligen und Allerseelen werden nicht zufällig hintereinander gefeiert. Die meisten Menschen, die sterben, so vermuten wir, gehen nicht direkt in den Himmel, sondern sind noch mit Sünden behaftet und müssen daher noch warten. Wir nennen diesen Ort Fegefeuer oder Purgatorium (Reinigungsort). Diese sogenannten armen Seelen haben aber eines gemeinsam. Sie werden einmal hundertprozentig im Himmel sein. Sie haben es geschafft. Sie sind gerettet. Sie sind nicht für immer verloren. Auch wenn sie noch nicht das Glück des Himmels spüren dürfen, wissen sie doch, dass dies einmal der Fall sein wird. Da sie aber momentan darauf verzichten müssen, spüren sie in ihrem Herzen ein intensives Heimweh nach Gott, das in der Seele ein doch sehr schmerzhaftes Leiden ist. Es ist nicht nur ein Mangel an Freude, sondern auch ein spürbarer Schmerz.

Was das Fegfeuer nicht ist, dass soll auch erwähnt werden. Es ist kein geografischer Ort. Wir finden ihn auf keiner Landkarte. Es ist ein „geistlicher“ Ort für die Seele. Man sollte auch nicht an ein physisches Feuer denken, denn die Armen Seelen haben ja in diesem „Zwischenzustand“ (bis zur Auferstehung des Fleisches) keinen Leib. Die Künstler waren da natürlich in einem gewissen Dilemma, denn wie kann ich die unsichtbare Seele zeichnen und darstellen. Schließlich ist das Fegfeuer nicht eine Art „Hölle im Kleinen“ oder „Hölle auf Zeit“. Sie unterscheidet sich nicht nur graduell mit der Hölle, d.h., dass man in der Hölle gleichsam ein bisschen größere Schmerzen hat. Nein! Der Sinn ist ein ganz anderer. In der Hölle handelt es sich um selbst bereitete Strafe und um Vergeltung. Im Fegefeuer geht es um Reinigung und Besserung. In der Hölle gibt es keine Hoffnung. Sie ist der „Ort“ der Verzweiflung. Die Armen Seelen aber wissen, dass sie das Heil erreicht haben, denn sie können nicht mehr sündigen und den Stand der Gnade nicht mehr verlieren. Allerdings können sie nichts mehr für sich tun. Sie können kein gutes Werk mehr tun. Wir auf Erden können sehr wohl Gutes tun, aber die Gefahr besteht, dass selbst ein „momentaner“ Heiliger, noch zum Sünder werden kann. Im Fegfeuer gibt es diese Furcht nicht mehr. Was die armen Seelen sehr wohl tun werden, ist, Fürsprache für andere einzulegen. Im Fegfeuer fehlt ja nicht die Liebe, auch nicht die Liebe zum Nächsten.

Die Armen Seelen sind dann auch in einem gewissen Sinn „im Frieden“. Es ist eine wahre Zufriedenheit. Sie sagen ein ungetrübtes „Ja“ zu Gott und zu allem was Gott verfügt: auch zu ihrem leidvollen Zustand. Sie sehen ein, dass sie etwas gutzumachen haben. Es ist jene Bußgesinnung, die den einen Schächer am Kreuz sprechen lässt: „Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten.“ Im Fegefeuer gibt es also kein Murren, keine Rebellion, kein Aufbegehren, keine Klage und kein Selbstmitleid, wie es in der Hölle der Fall ist. Und doch leiden sie. Nichts ist so schmerzlich wie die Abwesenheit dessen, den man liebt. Gott ist zwar im Fegefeuer gegenwärtig und den Seelen nahe, doch ist dies keine fühlbare und wahrnehmbare Gegenwart.

Daher hat die Kirche für die Verstorbenen von Anfang an gebetet. Für die Heiligen im Himmel ist das nicht nötig und für die Verdammten der Hölle wäre das sinnlos. Daher werden auch wir heute besonders die armen Seelen in unsere Gebete miteinschließen. 


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024