14. Sonntag im Jahreskreis B 2021
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14. Sonntag im Jahreskreis 2021 B

Messtexte | Word-Dokument

Jesus kommt in seine Heimatstadt Nazareth. Die Leute kennen ihn von früher. Er ist der Sohn Mariens. Hier leben seine Verwandten und seine Nachbarn, sowie viele Bekannte. Diese erinnerten sich in diesem Moment bestimmt zurück an seine Kindheit und Jugendzeit, die sie mit ihm verbrachten. Er war einer von ihnen. Er war ihr Spielgefährte, ihr Freund und ihr Arbeitskollege. Vielleicht ist bereits eine gewisse Zeit verstrichen, als Jesus das letzte Mal dort in seiner Heimat war. Dieses Mal aber, als er zurückkehrt, verhält er sich ganz anders. Er kehrt zurück als Lehrender. Er geht in die Synagoge und predigt ihnen. Das erregt unter den vielen Menschen, die ihn ja kannten, nicht nur Verwunderung, sondern sogar Anstoß. Dieser will uns lehren? Dieser will uns was sagen? Wer gibt ihm das Recht dazu? Wer gibt ihm die Vollmacht? Sie meinen, ihn von früher zu kennen. An ihrem bereits gebildeten Urteil über Jesus war nicht mehr zu rütteln und nichts mehr zu ändern. Da überzeugt sie auch nicht seine Wunderkraft, von der man erzählt und auch nicht die Weisheit, die aus ihm spricht. Sie lehnen ihn einfach ab.

Liebe Brüder und Schwestern! Wie oft urteilen wir über Menschen? Wie oft beurteilen wir, ob etwas gut oder böse war, ob jemand gut oder böse handelte, ob das richtig war, wie jemand sich verhalten hat? Es ist wichtig, dass wir das tun, um unterscheiden zu können, und um jemand richtig einzuschätzen. Es ist notwendig, damit man sich gegenüber denjenigen entsprechend verhalten kann, damit man weiß, wie man dran ist. Manchmal muss man auch vor schlechten Leuten warnen.

Es kann aber auch sein, dass solche Urteile zu schnell geschehen. Es kann sein, dass wir viel zu voreilig ein Urteil fällen. Für uns Menschen genügt manchmal ein oberflächlicher Blick auf das Äußere eines Menschen und schon meinen wir zu wissen, das ist ein schlechter Mensch. Ein flüchtiger Eindruck oder ein von anderen übernommenes Urteil sind meist zu wenig, um wirklich immer richtig zu urteilen. Oft ist vielleicht unser Urteil tatsächlich richtig. Manche sagen, das spüre ich, das habe ich im Blut. Aber wie gefährlich kann so ein Urteil auch sein, das wir auf unser Gefühl aufbauen! Oft kommen auch Vorurteile und Fehlurteile zustande. Wir dürfen unser Urteil daher nicht nur von unseren Gefühlen her bestimmen lassen, sondern wir müssen unser Urteil immer wieder mit unserem Verstand beleuchten und hinterfragen. Stimmt es noch? War es richtig? Ist es immer noch richtig? Oder muss ich es revidieren und korrigieren, weil ich mich eventuell getäuscht habe, oder weil sich vielleicht auch der Mensch inzwischen geändert hat, über den ich zu voreilig geurteilt habe? Dies erfordert, dass wir immer mit Liebe aufeinander zugehen und auch den Menschen die Möglichkeit zur Umkehr geben müssen, ihm diesen Weg eröffnen. Wir dürfen ihn nicht einfach abstempeln, sondern müssen ihm helfen. Eine Umkehr ist eine große Gnade. Dieser Mensch braucht dann auch besonders unsere Hilfe, damit er nicht in seine alten Fehler zurückfällt.

Der Mensch aber gibt leider nicht gerne zu, dass er sich einmal geirrt hat, dass er einmal falsch geurteilt hat, und dass er einen Menschen falsch eingeschätzt hat.

Die Menschen aus Nazareth haben sich auch in einem gewissen Sinn in Jesus geirrt. Sie haben die Menschheit Jesu besonders nahe erlebt, weil er Jahre mit ihnen verbracht hat und mit ihnen aufgewachsen ist. Dadurch haben sei ein gewisses Bild von ihm. Sie tun sich nun schwer seine Gottheit anzuerkennen. Sie werden sogar aggressiv und wollen sich doch vom Zimmermannssohn nichts sagen und nicht helfen lassen. Darum heißt es, kann Jesus hier keine Wunder wirken, nur einige Kranke heilen.

Was können wir daraus lernen? Wir wollen immer zuerst das Gute im Menschen sehen. Es ist leichter einen Menschen zu verleumden und seinen Ruf zu schädigen, als diesen schlechten Ruf wieder rückgängig zu machen, wenn es sich herausgestellt hat, dass er ja gar nicht so ist oder dass er sich jetzt bekehrt hat. Manchmal kann das für einen bekehrten Menschen zu einer schweren Last werden. Diese Last wollen wir leichter machen. Noch schlimmer ist es, wenn sein Ruf durch Vorurteile und Fehlurteile schlecht gemacht wurde. Besonders hier verlangt unser Gerechtigkeitssinn, diesem Menschen zu helfen und damit Gutes zu tun. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024