2. Ostersonntag C 2022
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2. Ostersonntag 2022 C

Messtexte | Word-Dokument

Thomas hat begriffen! Wie dankbar bin ich, dass es diesen ungläubigen Thomas mit seinem Zweifel gegeben hat! Endlich ist da einer, der sehr kritisch war. Versetzen wir uns doch in diese Situation von damals. Da soll einer von den Toten auferstanden sein! Das gibt es doch nicht! Das hat es noch nie gegeben, und das wird es nicht geben. Tot ist tot, und damit ist alles vorbei. Daher ist es verständlich, dass man einmal zuerst diese Sensationsbotschaft nicht glaubt, ihr sehr skeptisch gegenübersteht und dass man sich mit seinen Händen persönlich überzeugen möchte. Erst wenn man seine Wunden betastet und seine geöffnete Seite berührt, dann glaubt man.

Berühren ist einfach etwas viel Überzeugenderes als nur das Sehen oder das Hören. Durch das Berühren nähern wir uns der Sache ganz anders. Wir nähern uns auch einem Menschen ganz anders. Das wird dann deutlich, wenn wir uns einem Menschen besonders verbunden zeigen wollen. Dann wollen wir ihn berühren. Wir wollen ihn umarmen. Die Berührung ist für unser Leben etwas Wichtiges. Nicht umsonst sagen wir, wenn wir etwas verstanden haben, wir hätten es begriffen. Begreifen ist fast noch mehr als Verstehen.

Beim kleinen Kind können wir beobachten, wie wichtig das „Be-Greifen“ fürs Begreifen ist. Die Dinge werden in die Hände genommen, zum Mund geführt, rundherum abgelutscht, weggeworfen, noch einmal in die andere Hand genommen usw.

Ich kann mich erinnern an das, was meine Mutter uns Kindern erzählt hat, als wir noch klein waren. Immer wenn sie in der Küche war und wir im Wohnzimmer gespielt haben und es wurde plötzlich ganz still, dann hat sie nachgeschaut, was los ist. Und einmal waren wir beim Blumenstock und haben die Erde entdeckt. Und wir mussten sie begreifen, ja schließlich auch kosten.

Das war natürlich nicht sehr vernünftig in den Augen unserer Mutter, und wir bekamen einen Klaps auf die Hände. Wir mussten zuerst begreifen, um zu begreifen.

So war es auch bei unserem Thomas. Thomas will Gott begreifen. Er will Jesus wirklich berühren. Er will die Wunden berühren, die zum Tod führten.

Wie können wir Gott berühren? Wir können Gott im Alltag berühren, wenn wir im Alltag eine Wunde berühren. Wir können helfen, wenn wir uns einem Menschen zuwenden, seine Not wahrnehmen und nicht einfach darüber hinwegsehen. Wenn wir das getan haben, haben wir auch Gott berührt.

Auf das Berühren des Thomas folgt der Glaube. Auch wir wollen glauben, dass Jesus Gott ist. „Mein Herr und mein Gott.“ Das war das kurze und feste Glaubensbekenntnis des heiligen Thomas. Jesus ist der menschgewordene Gott, der auf die Erde kam, um zu leiden, zu sterben und von den Toten auferstehen, um uns dadurch zu erlösen. Thomas, der zuerst skeptisch war, hilft uns glauben. Er wollte vorher ein deutliches Zeichen haben. Er will einen festen Beweis. Er wollte die Wundmale an seinen Händen und die Seitenwunde berühren und begreifen, um zu begreifen. Weil es diesen Thomas gegeben hat, und weil Jesus ihm diesen Wunsch erfüllt hat, ist uns durch dieses Ereignis erneut ein Beispiel in der Heiligen Schrift gegeben, damit wir leichter glauben können. Thomas hat begriffen. Bitten wir ihn, dass er durch seine Fürsprache auch unseren Glauben stärke. Selig, die nicht sehen, nicht berühren und doch glauben. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024